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Agrarrecht – Persönliches zur Kuhattacke

By 26/02/2019Februar 14th, 2023Aktuelles

Das aktuelle Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 20.02.2019 zur Frage der schadenersatzrechtlichen Beurteilung von Kuhattacken lässt die Wogen hochgehen. Dies zumindest auf den ersten Blick zu Recht, auf den zweiten genaueren Blick zeigt sich aber, dass es für Bauern keinen Grund gibt, die Nerven wegzuschmeißen, Almen zu sperren oder gar das Vieh nicht mehr aufzutreiben. Hier ist es wichtig, sich nicht von verkürzter Berichterstattung aufreiben zu lassen, sondern den Tatsachen ins Auge zu blicken und sich die Freude auf den bevorstehenden Almsommer nicht verderben zu lassen.

Als Rechtsanwalt mit landwirtschaftlicher Ausbildung, der während der Studienzeit selbst begeisterter Senner auf einer Alm im Gebiet des Radstädter Tauernpasses war, war es mir ein Anliegen, das Urteil zu lesen und mich dazu zu äußern.

Eines steht fest, sobald man das Urteil zwischen die Finger bekommt und darin zu lesen beginnt: Das Landesgericht Innsbruck nahm seine Arbeit nicht auf die leichte Schulter. Abgesehen von holprigen Begründungen zum Wesen von Rindern und deren Bewegungsmöglichkeiten bzw. Aufenthalten im Almgeländer und mitunter auch lebensfernen Gedanken, wenn beispielsweise hinsichtlich der Vermeidbarkeit des Unfalles darüber nachgedacht wird, Kuhglocken umzuhängen, begründet der Richter das Urteil auf über 100 Seiten sehr detailliert.

In dem Urteil steht im Übrigen mit keinem Wort, dass die Einzäunung von Almen erforderlich wäre. Im Gegenteil! Das Gericht hat ausdrücklich anerkannt, dass es „ortsüblich“ ist, Rinder frei auf Almen zu halten. Nur stark frequentierte Flächen des Almgebiets, wo mit einer „hohen Frequenz von Wanderern, damit einhergehend auch von Hunden“ zu rechnen ist, sind abzuzäunen. Auch der gegenständliche Unfall ereignete sich in unmittelbarer Nähe einer Gastwirtschaft, bei der es schon zuvor zu Zwischenfällen mit Hunden kam, weshalb die Kuhherde in Unruhe versetzt war. Das Gericht sprach aber aus, dass nur der unmittelbare Bereich um die Gastwirtschaft eingezäunt werden hätte müssen. Nach den Ausführungen in dem Urteil hätte es dafür nur eines Aufwands von € 200,– bedurft.

Alles in allem sollte das Urteil – ganz egal wie ein Rechtsmittelgericht letztlich entscheidet – dazu beitragen, dass sich Bauern, Gastwirte und Verantwortliche aus Regionen zusammentun, um über Gefahrenquellen im Almgebiet nachzudenken und Möglichkeiten zu erörtern, diese zu sichern. Ist Bauern bekannt, dass Tiere aggressiv sind, so sind diese von der freien Weidehaltung freilich auszuschließen – das war aber auch bislang im Wesentlichen so. Außerdem empfiehlt es sich für jeden Bauern, die Gelegenheit am Schopf zu packen und bei der eigenen Haftpflichtversicherung nachzufragen, ob und mit welcher Versicherungssumme ähnlich oder gleich gelagerte Fälle von der eigenen Haftpflichtversicherung gedeckt sind.

Warum das Gericht davon ausging, dass kein Mitverschulden vorlag, ist mir nicht nachvollziehbar. Jedem sollte klar sein, wie gefährlich es ist, sich Leinen oder Führstricke umzubinden oder um Körperteile zu wickeln. Das Gericht sprach aber auch aus, dass Gefahren und Risiken im Zusammenhang mit (Mutter)Kuhherden zum Zeitpunkt des Unfalles, also 2014, noch nicht allgemein derart bekannt waren, wie dies heute aufgrund der medialen Berichterstattung ist. Zu hinterfragen bleibt aber in jedem Fall, ob und inwieweit es nicht eher im Verantwortungsbereich der Gastwirte gelegen ist, dafür Sorge zu tragen, dass Gäste sicher (und allenfalls auch auf eingezäunten Wegen) zu ihren Gaststätten gelangen können. Immerhin wurden diese Freizeitoasen in eine über Jahrhunderte sich entwickelnde Weide- und Almkultur meist am Grund von Bauern eingebettet.

Bleibt zu hoffen, dass das Urteil zu einer weiteren Sensibilisierung beiträgt und aufzeigt, dass das Rind kein Kuscheltier ist und sich ihm niemand (schon gar nicht mit Hund) ohne Erfahrung und Sachverstand nähern sollte. Wichtig aber ist, dass das Urteil nicht dazu führt, dass die Almwirtschaft und ihre Bauern über den Einzelfall hinaus Schaden nehmen, damit auch weiterhin die wunderschöne und einzigartige Kulturlandschaft unserer Berge gesichert ist.

Ing. Dr. Wolfgang Gappmayer, LL.M.

Rechtsanwalt Ing. Dr. Wolfgang Gappmayer, LL.M. hat nach seiner Reife- und Diplomprüfung an der HBLA Ursprung in Elixhausen das Studium der Rechtswissenschaften absolviert. Er ist glücklich verheirateteter Vater zweier Töchter. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt ist Wolfgang Gappmayer Lektor an der Fachhochschule des BFI Wien und Vorstandsmitglied des Weissen Rings (des Vereins „Weisser Ring“, gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und Verhütung von Straftaten).

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